Seit Oktober 2020 ist auf Netflix die siebenteilige Miniserie Das Damengambit (Originaltitel: The Queen’s Gambit) zu sehen. Ich bin nun endlich dazu gekommen, mir die Serie anzusehen, was auch relativ schnell ging. Nach zwei vollen Abenden auf dem Schachbrett war ich damit fertig und fast durchweg davon angetan.
Die Miniserie ist auf einem hohen Produktionsniveau entstanden und wurde teilweise in England, Kanada und Deutschland (Berlin) gedreht. Selbst wenn man mit Schach an und für sich nicht viel anfangen kann, so ist Das Damengamit voll von Unterhaltungspotenzial und erreicht durch die stetige Figurenentwicklung und den unverbrauchten Style eine außerordentliche Qualität. Mit unserer Heldin Elizabeth „Beth“ Harmon (Anya Taylor-Joy) begleiten wir ein Wunderkind des Schachs in den 1950 und 1960 Jahren. Es ist zeitgleich auch eine Coming-of-Age-Geschichte und ein narrativer Lebens- und Karrierelauf von ganz unten nach ganz oben, mit allem, was dazu gehört. Lediglich im Mittelteil der Serie empfand ich kleinere erzählerische Längen, die aber insgesamt kaum ins Gewicht fallen.
Das Damengambit erzählt neben der Komplexität des Schachspielens – die Spiele beruhen teilweise auf bekannten Partien von Groß- und Weltmeistern – auch eine Geschichte der Emanzipation innerhalb des männerdominierenden Sports und des Feminismus. Beides gelingt „spielend“, denn je erfolgreicher Harmon wird, desto mehr rückt sie als Frau in den Fokus, sowohl bei den Wettkämpfen als auch privat als selbstständige Frau, die ihr eigenes Geld verdient. Am Ende der Serie erfährt man, dass beispielsweise in Russland seinerzeit die Partien zwischen Männern und Frauen gesondert gespielt und in Amerika die Wettkämpfe gemischt geführt wurden.
Das Script zu Das Damengambit wurde von Scott Frank und Allan Scott geschrieben und Frank führte in allen sieben Episoden die Regie. Als Schach-Berater fungierten unter anderem der frühere Schachweltmeister Garri Kasparow und der US-amerikanische Schachtrainer Bruce Pandolfini. Hervorheben möchte ich vor allem die unfassbar coole und einnehmende Hauptfigur. Anya Taylor-Joy ist so stilsicher und formbar und vor allem so eigen in ihrer Ausstrahlung und Körpersprache. Die Serie brilliert in Sachen Design und Ausstattung, Kostümen sowie Kinematographie und fängt den Style der 50er und 60er schon fast überspitzt gut ein. Gefallen hat mir auch, dass die Serie zeigt, dass man seinen Weg gehen kann, selbst wenn die Vorraussetzungen ungünstig und abwegig erscheinen. Beth ist keine Maschine, auch die größten Genies können fallen, niemand ist frei von Fehlern und Schwächen. Die Chancen, die sie als Kind hatte, machten nicht viel Hoffnung auf diese Art von Karriere. Aber die Klischees des typischen problemgeplagten Heimkindes lässt die Erzählung Gott sei Dank aus und generell sucht man Stereotypen in der Serie vergebens.
Ich mag Harmon so gern, weil sie das Nerdtum bis zum Ende hin zelebriert und erkennt, dass sie so großartig ist, ohne das andere dies erst aus ihr machen müssen. Sie ist von sich aus so begabt und sie kehrt trotz des Erfolgs zurück zur Basis, weil sie das am meisten liebt und nicht vergisst, wo sie herkommt. Für mich ist Beth Harmon eine der am besten geschriebenen Serienfiguren unserer Zeit. The Queen’s Gambit sei jedem empfohlen und ans Herz gelegt!
Titel: Das Damengabit
Originaltitel: The Queen’s Gambit
Land/Jahr: USA; 2020
Screenplay: Scott Frank, Allan Scott
Regie: Scott Frank
Cinematographie: Steven Meizler
Cast: Anya Taylor-Joy, Bill Camp, Moses Ingram, Marielle Heller, Harry Melling, Thomas Brodie-Sangster
Stream: Netflix, 7 Episoden
Titelbild: ©Courtesy
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