Es fällt mir etwas schwer, einen Film von Céline Sciamma weniger zu mögen als ihre früheren Werke. Die Idee, welche man schon in der Synopsis lesen konnte, empfand ich als interessant und voller Ideen. Ein Mädchen triff auf ihre Mutter im kindlichen Alter.
Das liest sich erstmal interessant und tief und möglicherweise witterte man auch etwas Geniales aus der berühmten Feder. Sciammas Werke galten für mich bisher als Kino der Extraklasse. So kreativ, wie sie das Drehbuch von Mein Leben als Zucchini schrieb. Ihr erstes Werk nach ihrem Studium Waterlilies, dem sie zu Beginn nichts zutraute und den Film dann doch drehte und der zu einem der besten Coming-of-Age Filme aus Frankreich avancierte. Weitere Werke wie Girlhood und Tomboy waren sowohl technisch als auch narrativ schlichte Geniestreiche, besonders weil Sciamma mit Tomboy einen Film fast ausschließlich mit Kindern kreierte, die authentisch und spielerische Ernsthaftigkeiten transportierten. Und zuletzt natürlich der Überfilm schlechthin Portrait of a Lady on Fire, der es bis zu einer Nominierung nach Hollywood schaffte und schlussendlich an Parasite scheiterte.
Petite Maman versagte bei mir nahezu, auch wenn ich durchaus in der Lage war, Sciammas Handschrift zu erkennen. Der Film funktioniert sicherlich um einiges besser, wenn man die Synopsis nicht kennt, denn in meinem Kopf formte sich eine Erwartung, die der Film nicht erfüllen konnte. Es ist unverkennbar, dass Petite Maman wahrscheinlich ein sehr persönlicher Film der Drehbuchautorin und Regisseurin ist, dem ich schwer folgen konnte, vor allem deshalb, weil einfach so wenig passierte, was mich beschäftigte. Ich litt zum Teil an seinen Banalitäten, obwohl ich erkennen konnte, dass wahrscheinlich mehr dahinter steckte. Quälende Einstellungen in leere Zimmer, ein schweigendes Frühstück, knappe Dialoge und generell zu wenig Ausstattung und Inhalt. Von allen Möglichkeiten war einfach zu wenig vorhanden.
Ich hätte an Scimmas Stelle die Rolle der beiden Mädchen vertauscht, denn der Charakter Marion (Gabrielle Sanz) war darstellerisch besser als Nelly (Joséphine Sanz), die den etwas umfangreicheren Part inne hatte. Die Nebenfiguren, die Eltern, die Großmutter boten keine Tiefe, was vermutlich verständlich ist, wenn es hauptsächlich um die beiden Mädchen geht. Vor allem zum Ende hin waren die beiden Kinder so reif wie Erwachsene, die nun die Erwachsenen besser verstehen. Nelly versteht nun ihre (große) Mutter (Nina Meurisse) mehr als diese sich selbst. Die eigentliche Begegnung hatte nichts magisches für mich zu bieten, ich wartete 72 Minuten auf Erleuchtung und sie wollte einfach nicht eintreten. Auch dann nicht, als Sciamma die einzige Partitur gegen Ende aufdrehte, den Score von Para One, der bislang in fast allen Sciamma Werken zu hören war und langsam aber sicher auf mich überdosiert wirkt. Ich mag das zwar, ganz ehrlich, aber es zieht einfach nicht mehr bis zur Gänsehaut.
Petite Maman ist fälschlicherweise als Kinderfilm beworben worden, ein Familienfilm sollte es sein. Das ist vermutlich die größte Lüge überhaupt. Kinder werden diesen Film von sich aus nicht verstehen und sie werden wahrscheinlich auch innerhalb der ersten 30 Minuten einschlafen oder sich mit anderen Dingen beschäftigen. Es ist eher ein Film, der uns nachdenken lässt, wie wir zu unseren eigenen Eltern stehen, wie wir sie sehen und hinterfragen.
Alle positiven Reviews die ich im Vorfeld las, konnte ich nach der Sichtung nicht mehr glauben. Auf der Berlinale gewann der Film keine Preise und auch den Publikumspreis hat Petite Maman nicht erhalten. Für mich nachvollziehbar. Den professionellen Kritikern scheinbar nicht. Was bleibt ist für mich auf einen neuen Céline Sciamma Film zu hoffen, der mich wieder begeistern kann. Denn das kann sie nämlich üblicherweise.
Titel: Petite Maman
Originaltitel: Petite Maman
Land/Jahr: Frankreich; 2021
Länge: 72 Minuten
Screenplay: Céline Sciamma
Regie: Céline Sciamma
Cinematography: Claire Mathon
Musik: Jean-Baptiste de Laubier (Para One)
Cast: Joséphine Sanz, Gabrielle Sanz, Nina Meurisse, Stéphane Varupenne, Margot Abascal
Titelfoto: ©Lilies Films
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