»When the day is done, my mind turns to her and I think, why are we to be separated?«
Es ist 1856 und Abigail (Katherine Waterston) und ihr Ehemann Dyer (Casey Affleck) leben auf einer Farm, die immer schwieriger zu bearbeiten ist, da die Jahreszeiten auf dem von ihnen gewählten Stück Land jedes Jahr brutaler werden. Sie haben ein Kind an Diphtherie verloren und scheinen sich nie gänzlich davon erholt zu haben. Die tägliche Monotonie ist des Paares Weg, ihre Trauer zu bekämpfen.
Abigail erzählt The World to Come und in ihrem melancholischen Monolog wird sie lebendig. In ihrer Erzählung ist Abigail selbstbewusst und poetisch und macht Feststellungen wie „Contentment was like a friend he never gets to see“ über Dyer und „I have become my grief“ über sich. Es ist diese gesteigerte literarische Qualität der reichhaltigen Erzählung, die uns durch den Film begleitet. Ich habe mich schnell mit dieser Poesie und der Art und Weise der Erzählung vertraut machen können. Mona Fastvold’s Film ist eine dieser betörenden Leidenschaften, die aus einem inneren Monolog auf die Leinwand entlassen werden.
Dieser Leidenschaft verfällt Abigail, als sie auf ihre neuen Nachbarn Tallie (Vanessa Kirby) und Finney (Christopher Abbott) trifft. Tallie ist der extrovertierte Gegenpol von Abigails Introvertiertheit und sie sieht Abigail so an, wie sie es noch nie in ihrem Leben erlebte. Die beiden kommen sich näher und verbringen die Tage miteinander und irgendwann haben sie eine Verbindung, die schließlich physisch und leidenschaftlich wird. The World to Come entfaltet sich in Szenen nahezu konstanter Erzählungen, von denen man annehmen muss, dass sie größtenteils aus dem Ausgangsmaterial stammen. Es soll der Eindruck erweckt werden, dass wir Abigails Tagebücher lesen, die möglicherweise Jahrzehnte nach dem Tod dieser Charaktere gefunden wurden und wir die Geschichte dieser tiefen Begegnung an der amerikanischen Grenze entdecken.
Katherine Waterston trägt das Gewicht des gedankenintensiven Films, da fast alles aus ihrer Sicht erzählt wird. Ihr gegenüber steht die flammenhaarige Vanessa Kirby, welche die Liebesbeziehung anfangs noch vorantreibt und es entsteht zwischen ihnen eine gelungene und erotisch anmutende Performance. Der Film wird im Ganzen von einem starken Quartett gespielt und diese kleine Geschichte kann durch sie so groß wie die Welt wirken. Hervorhebend möchte ich auch den schweren aber schönen Score von Komponist Daniel Blumberg, der immer wieder Waterstons Voice Over mit Holzbläsern und Streichern unterstützt, die Ödnis der Umgebung einsaugt und sowohl lieblich, als auch bedrohend wirken kann.
Angesichts der wachsenden Verbreitung dieses Subgenres mit sapphischen Romanzen, ist es vielleicht nützlich im Zusammenhang zu bemerken, dass The World to Come nicht das Gefühl der weiblichen Befreiung besitzt, welches beispielsweise tief in Portrait of a Lady on Fire zu spüren ist. Muss es auch nicht zwangsläufig, aber auch das jüngste Werk von Francis Lee Ammonite, in dem noch zusätzlich das Gewicht der gesellschaftlichen Belastung dargestellt wurde, verfolgte neben der Romanze noch weitere Ziele in seiner Erzählung. Das diese Ebene hier ausbleibt ist nicht verwerflich, macht die Handlung aber merklich einfacher und weniger nachhaltig.
Das sehr depressive Ende fühlte sich für mich in den abschließenden Momenten wie ein leiser Verrat an den beiden verliebten Frauen an, deren Privatsphäre der Film bis zum Finale bewahrt. Eine intime Erinnerungsmontage nach einer schmerzhaften Tragödie wertet die vor allem durch gegenseitigen Respekt, intellektuelle Bindung und Begierde etwas ab, auch wenn ich es zugegebenermaßen sehr berührend, ästhetisch und schön fand.
The World to Come reit sich meiner Meinung nach gebührend in die Reihe der LGBTQ-Filme der letzten Jahre ein, die mich sehr bewegt und mitgerissen haben.
Titel: The World to Come
Originaltitel: The World to Come
Land/Jahr: USA; 2020
Länge: 98 Minuten
Screenplay: Ron Hansen, Jim Shepard
Regie: Mona Fastvold
Cinematography: André Chemetoff
Musik: Daniel Blumberg
Cast: Katherine Waterston, Vanessa Kirby, Carey Affleck, Christopher Abbott
Titelfoto: Toni Salabasev/Bleecker Street
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