52Games #10 – »Übernatürlich«

Phantasmagoria war eines der ersten Horrorspiele, die mir wirklich etwas Angst gemacht haben. So manche Szenen waren wirklich ziemlich creepy bis brutal eklig und zu Beginn des Spiels war das irgendwie gar nicht so recht abzusehen. Man kann einiges bei YouTube finden, falls Interesse besteht. Eigentlich beginnt das Spiel genau so, wie es meistens in Horrorspielen oder Filmen abläuft. Idyllisch, ruhig, harmonisch, das Böse ist ganz weit weg. Natürlich weiß man, dass das die Ruhe vor dem Sturm ist, heute bin ich auf sowas eingestellt. Als junger Mensch aber, wo Internet und sonstige Infoquellen kaum vorhanden waren, war das noch etwas anderes. Ich wusste, dass Phantasmagoria ein Horrorspiel ist, aber das es mich zu der damaligen Zeit so schockieren und in seinen Bann ziehen würde, hatte ich nicht geahnt.

Für Phantasmagoria wurden echte Schauspieler abgefilmt, die man dann durch die Welt steuern konnte. Es geht um die Geschichte eines Ehepaares, die ein Haus neu beziehen, in dem es zu spuken scheint bzw., ein dunkles Geheimnis verborgen ist. Ähnlich wie im Exorzist wird ein böser Geist oder ein Dämon freigesetzt, der dann Besitz vom Ehemann ergreift und dieser sich immer mehr verändert. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich damals eher an Geisteskrankheiten gedacht. Die Freisetzung einer höheren Macht wird zwar in einer Szene im Spiel sehr deutlich, nur weiß man nicht genau, was tatsächlich mit ihr passiert, wo sie landet und schon gar nicht, was sie vor hat.

Im Laufe der Geschichte beobachten wir das Ehepaar, wie es sich immer mehr voneinander entfernt und der einst liebevolle, sympathische Ehemann eine starke Wesensveränderung durchlebt. Er wird vulgär, seiner Frau gegenüber handgreiflich und zieht sich immer mehr zurück. Besessenheit ist ja auch immer wieder ein gern verfilmtes Thema, meistens leider mehr schlecht als recht. Phantasmagoria dagegen verliert im Vorranschreiten seiner Geschichte niemals die Glaubwürdigkeit, da das Übernatürliche fast ausschließlich über die Menschen nach außen getragen wird. Die Spannung steigt dann im bevorstehenden Finale derartig an, was man auch der bisweilen sehr frischen Interaktivität im Spiel zusprechen muss. Man hat die Wahl, sich beispielsweise hinter der Tür zu verstecken oder unter dem Tisch. Er betritt das Zimmer, schaut hinter die Tür oder unter den Tisch, wir wissen es vorher einfach nicht. Das war damals ganz neu, es war grandios und ich fand die Geschichte trotz ihrer ganzen Einfachheit unglaublich spannend. Der Spieler schaut einem Mann bei seinem kompletten Verfall zu, der in einem total geistenskranken Amoklauf endet. Roberta Williams ist bis heute eine der Größten!

Das Ende der Story ergibt sich dann schlussendlich aus der Spielweise. Meistens muss ja immer jemand sterben, damit der Rest das Leben wieder zu schätzen weiss. Man fragt sich in Phantasmagoria nur, wer der Rest denn eigentlich ist. Sie oder Er?

Zockwork Orange riefen zum tollen Projekt 52Games auf, an dem ich mich mit diesem Text über das zehnte Thema Übernatürlich beteilige.